Gehen gilt als die natürlichste und am weitesten akzeptierte Form der Bewegung, die auch viele Vorteile bietet. Ärzte bestätigen, dass regelmäßiges Gehen vorbeugend gegen 40 verschiedene Krankheiten wirken und das emotionale Wohlbefinden, die Stimmung wie auch die Produktivität verbessern kann. Aus diesen Gründen führt die Mobilitätsplattform „Walk15” in Zusammenarbeit mit der Poliklinik Šeškinė (Vilnius, Litauen) eine neue Art der Behandlung ein – die Verschreibung von individuellen Schritten.
Schritte statt Medikamente
„Warum erhalten wir Verschreibungen nur, um gesund zu werden? Warum können wir keine bekommen, um gesund zu bleiben? Ziel dieses neuen Pilotprojekts ist es, Menschen in Bezug auf die Bedeutung von körperlicher Aktivität und Wohlbefinden zu fördern und auszubilden”, sagt Vlada Musvydaitė-Vilčiauskė, Urheberin der Idee und Gründerin der nachhaltigen Mobilitätsplattform „Walk15“.
4, 8 oder 10 Tausend Schritte pro Tag – so lauten die Verschreibungen, die Hausärzte an der Poliklinik Šeškinė jetzt an Patienten verschreiben können. Durch die Verschreibung von Schritten wird der Patient nicht zu einer Apotheke gelenkt, sondern zur kostenfreien Walking-App #walk15, die über 650 Tausend Benutzer zusammenbringt.
„Die App wird zu einer Schrittapotheke. Nach Erhalt der Verschreibung scannt der Patient den QR-Code auf seinem Telefon ein und findet das für ihn zugeschnittene Schrittprogramm. Die Herausforderung liegt darin, drei Monate lang auf der vom Arzt empfohlenen Aktivitätsebene zu gehen“, erläutert der CEO von „Walk15”.
Es wird erwartet, dass diese innovative und weltweit einzigartige Lösung nicht nur dazu beitragen wird, Krankheiten vorzubeugen, sondern auch dabei helfen wird, für die Gesundheitsfürsorge zugewiesenen Geldmittel einzusparen.
Beurteilung echter Patiententätigkeiten
Hausärzte, die sich enthusiastisch bereit erklärten, am Pilotprojekt teilzunehmen, erklären, dass sie zum ersten Mal die Gelegenheit haben werden, zu sehen, wie gut Patienten die ihnen verschriebene Behandlung umsetzen.
„Es wurde nachgewiesen, dass eine geringe körperliche Aktivität ein Risikofaktor für die Entwicklung von chronischen, nicht übertragbaren Krankheiten ist. Daten von verschiedenen Studien, die in Litauen durchgeführt wurden, weisen auf geringe körperliche Aktivität unter Erwachsenen hin, aber diese zur physischen Aktivität zu ermutigen ist ohne geeignete und leicht anwendbare Hilfsmittel zur Kontrolle und Selbstüberwachung schwierig. Die Verschreibung von Schritten, die wir unseren Patienten anbieten, ist genau das: eine App, die die Menschen nicht nur zum Gehen ermuntert, sondern auch eine individuelle Betreuung und Beratung durch Ärzte gewährleistet. Und persönliche Beratungen mit Spezialisten, bei denen Patienten regelmäßig über ihren Gesundheitszustand informiert werden, haben üblicherweise eine positive Wirkung auf eine zunehmende langfristige körperliche Aktivität”, sagt Miglė Budrienė, Koordinatorin dieses Projekt an der Poliklinik Šeškinė.
Wenn eine Schritt-Verschreibung ausgestellt wird, führt der Hausarzt auch eine Analyse zur Zusammensetzung des Körpers unter Verwendung von fortschrittlichen Analysegeräten durch, die später im Verlauf zweimal wiederholt wird. Dabei wird die Auswirkung des individuellen Wellness-Programms auf die Person bewertet.
Laut M. Budrienė empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation, dass Erwachsene einen größeren Teil ihrer Woche mit körperlicher Aktivität verbringen sollten, mindestens 30 Minuten am Tag, vorzugsweise jeden Tag. Diese zeitliche Empfehlung kann in kleinere Intervalle unterteilt werden, die aber nicht kürzer als 10 Minuten sein sollten. Sogar kurze Zeiträume von körperlicher Aktivität wirken sich auf die Gesundheit positiv aus. Bewegung hilft dabei, sich körperlich, sozial und emotional gut zu fühlen. Selbstverständlich sollte das Aktivitätsniveau einer Person, die bisher eine Lebensweise hatte, bei der sie viel Zeit im Sitzen verbrachte, stufenweise erhöht werden. Es ist zudem besser, wenn eine solche Person sich mit medizinischen Fachleuten beraten kann.
Patienten, die die Schritt-Herausforderung annehmen, erhalten eine virtuelle Wellnessberatung, vorbereitet von Albertas Skurvydas, Professor für Bewegungs-, Sport- und Gesundheitswissenschaften. Bei technischen Fragen oder Schwierigkeiten werden Patienten jeden Tag unmittelbar vom Kundendienst der #walk15-App unterstützt.
Erste Verschreibungen bereits ausgestellt
Das Pilotprojekt an der Poliklinik Šeškinė hat bereits begonnen. Die Zielgruppe dieses Projekts sind junge Menschen im Alter von 12 bis 29 Jahren und Personen im Alter von 30 bis 65 Jahren mit chronischen Krankheiten (Typ-2 Diabetes, Bluthochdruck, Fettleibigkeit).
In der ersten Phase werden Schritt-Verschreibungen von vier Hausärzten an der Poliklinik Šeškinė ausgestellt. Wenn das Pilotprojekt erfolgreich ist, soll das Programm der individuellen Schritt-Verschreibungen ausgeweitet werden.
„Unser Ziel ist, dass Gehen zu einem Teil der Behandlungsprogramme wird. Wir sind es gewohnt, zur Apotheke zu gehen und die Medikamente zu holen, die uns der Arzt gegen die Kopfschmerzen verschrieben hat. Aber wie wäre es, wenn der Arzt stattdessen die Durchführung von 5000 Schritten empfehlen würde?”, sagt V. Musvydaitė-Vilčiauskė.
Verschiedene Studien zeigen bereits, dass regelmäßige körperliche Aktivität Vorteile bietet, die mit denen von Medikamenten vergleichbar sind. Gehen kann dabei helfen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu verhindern sowie Typ-2-Diabetes, Asthma und andere Krankheiten zu bekämpfen. Darüber hinaus ist es eine der besten Möglichkeiten, das emotionale Wohlbefinden zu verbessern wie auch Stress, Angst und das Risiko von Burnout zu reduzieren.
Professor A. Skurvydas rät, 3-5 Mal in der Woche aktiv zu sein. Laut dem Professor liegt der „Goldene Durchschnitt“ bei 10.000 Schritten für einen gesunden Menschen. Er schlägt vor, dass 3000 davon mit einer größeren Intensität ausgeführt werden sollten, um die Herzfrequenz auf 120-140 Schläge pro Minute zu steigern.